Beuthen
Ich erinnere mich an ein Treffen vor Jahren mit Henryk Waniek, Autor des wichtigen Werkes „Finis Silesiae“. Er sagte damals, dass Schlesien ohne deutsche Kultur nur eine geographische Bezeichnung ist. Das Verdrängen des Deutschtums aus dieser Landschaft ist also im Grunde das Entziehen ihrer einmaligen Subjektivität. Dies schilderte er mit dem Beispiel der in Polen verschwindenden Schönheit von Beuthen, das die Perle Oberschlesiens war. Ein Sonntagnachmittag in Beuthen hat mich daran erinnert. An den Straßen stehen Mietshäuser mit wunderschönen Fassaden, die jetzt zerstört sind. Manche sind verlassen oder zum Abreisen bestimmt und versuchen wie eine ältere Frau ihre einstige Schönheit zu zeigen. Jahrzehnte von Raubwirtschaft und der fehlenden Symbiose zwischen der Stadtentwicklung und der durch die Einwohner geschaffenen und geführten Industrie sind klar zu sehen.
Auf der Straβe sprechen die Passanten ohne Verlegenheit Schlesisch, in einem Dialekt, der sehr unterschiedlich von der oppelner Version ist, aber fast gleich wie in Guttentag. Im Zentrum von Beuthen versammelten sich am vergangenen Sonntag ein paar Dutzend Personen, um am freudigen Ereignis der Eröffnung des neuen Sitzes für die Beuthener Gemeinschaft der Schlesier, die sich als Deutsche fühlen, teilzunehmen. So sollte man das nennen, um sich wieder bewusst zu machen, dass die Deutschen in Schlesien keine von den Schlesiern getrennte Gemeinschaft sind oder waren. In den neuen Räumlichkeiten der Beuthener Gruppe der deutschen Minderheit, die unter der Leitung eines Jungen Vorstandes sehr aktiv ist, soll sich der Plan realisieren, in Beuthen ein Zentrum der Deutschen Kultur zu schaffen.
Es freut sehr, dass das mit der Unterstützung der Stadtbehörden passiert, die vom Präsidenten von Beuthen Stadtratsmitgliedern bei den Feierlichkeiten vertreten waren. Darum war für mich auch der Gedanke ganz natürlich, dass die Selbstverwaltungen zwar verschiedene Einstellungen zur Vergangenheit und der heutigen Bedeutung der deutschen Sprache und Kultur in Schlesien haben können, aber ihre regionalen Wurzeln eine ziemlich sichere Garantie dessen sind, dass diese Einstellung mindestens tolerant sein wird. Das ist sicherlich einer der Gründe, wieso die zentralistischen Absichten der gegenwärtigen Reformatoren des Landes auch in Kürze die relative Unabhängigkeit der lokalen Selbstverwaltung beschränken sollen.